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Armutspolitik bleibt auf dem Prüfstand

Bündnis aus Caritas, DGB, Diakonie und SoVD befragt Bundestagsabgeordnete

Sulingen, 24. Mai 2018. Vor zwei Jahren überreichte das Bündnis aus Caritas, Diakonie, Sozialverband Deutschland (SoVD) und Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) den Parteien einige sehr konkrete sozialpolitische Forderungen. Nun haben die Armutsfachleute die Abgeordneten nach einem weiteren Gespräch in 2017 zum dritten Mal eingeladen. Zum Gespräch kamen die Bundestagsabgeordneten Katja Keul (Bündnis 90/Grüne), Amira Mohamed Ali (Die Linke), Jens Beeck (FDP) und Sahra Ryglewski (SPD).
Marlis Winkler, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes in den evangelisch-lutherischen Kirchenkreisen Grafschaft Diepholz und Syke-Hoya, formulierte die Erwartung: „Wir möchten von Ihnen hören, was die Parteien seitdem gegen Armut unternommen haben.“

Kaum Differenzen bei Kinderarmut

Beim Kampf gegen Kinderarmut herrschte Einigkeit: Hier gibt es großen Handlungsdruck. Unterschiede bestehen allerdings in den Schwerpunkten. Katja Keul verwies auf einen Antrag der Grünen im Bundestag, den Kinderzuschlag automatisch auszuzahlen. Bisher nehmen viele Eltern, die einen Anspruch hätten, den Zuschlag nicht in Anspruch, weil der Antrag kompliziert ist. Amira Mohamed Ali forderte für die Linke, das Kindergeld zu erhöhen und zudem nicht auf das Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) anzurechnen. Jens Beer erläuterte die Idee der FDP, ein „Kindergeld 2.0“ einzuführen, das nicht den Eltern zugute käme, sondern einen Rechtsanspruch der Kinder vorsieht. Für die SPD verwies Sahra Ryglewski auf den Koalitionsvertrag, in dem ein weiterer Ausbau der Kinderbetreuung vereinbart ist. Der SPD schwebt zudem ein Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung vor.


Unterschiedliche Rentenkonzepte

Ein Ende der Einigkeit fand sich bei der Frage, wie die Rente zu sichern sei. Ryglewski verwies wiederum auf den Koalitionsvertrag: „Die SPD hat eine Grundrente durchgesetzt, die 10% über der Grundsicherung liegt.“ Die Grünen und die Linke setzen auf eine Rente für alle, was auch bedeuten würde, dass alle in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Keul will dies schrittweise auf den Weg bringen: „In einem ersten Schritt sollen die nicht versicherten Selbstständigen in die Rentenversicherung einbezogen werden.“ Zur Finanzierung muss nach Ansicht von Mohamed Ali unter anderem die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden: „5% ab der 2. Million des Vermögens würde zusätzlich 80 Milliarden Euro Steuereinnahmen bringen.“ Ganz anders sieht die FDP die Situation. Beeck lehnt eine Einheitsrente ab: „Wir brauchen stattdessen eine wesentlich größere Vielfalt! Um Altersarmut zu vermeiden, dürfen die bestehenden Leistungsansprüche nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden.“

Zu einer Finanzierung der steigenden Kosten verwies Ortwin Stieglitz, SoVD Kreisvorstand Diepholz, darauf, dass in Deutschland jeden Tag Vermögen in Höhe von 1 Milliarde Euro vererbt werden: „Hier müssen Vermögens- und Erbschaftssteuer ansetzen!“


Mindestlohn Richtung 12 Euro?

Hinsichtlich des Mindestlohns verwies Amira Mohamed Ali auf einen Antrag der Linken an den Bundestag, in dem eine Erhöhung auf 12 Euro gefordert wird: „Nur diese Erhöhung wird dann einen Rentenanspruch auf Grundsicherungsniveau sichern.“ Auch die Grünen haben eine Parlamentarische Initiative gestartet, um den Mindestlohn anzuheben. Sahra Ryglewski ließ einen Blick hinter die Kulissen zu: „In der SPD gibt es eine entwickelte Diskussion, die Richtung 12 Euro geht. Das ist aber mit dem Koalitionspartner nicht durchzusetzen.“

Grundsätzlich wurde Jens Beeck mit Blick auf das deutsche Sozialrecht: „Das ist nicht mehr zu handhaben, weil es viel zu komplex ist. Wir müssen massiv vereinfachen. Dann haben wir mehr Geld für die Menschen und die Leistungen werden dort ankommen wo sie hingehören.“

Ortwin Stieglitz, der den Dialog moderierte, zog ein Zwischenfazit: „Die Vorstellungen der Abgeordneten liegen derzeit gar nicht so weit auseinander, z.B. bei Mindestlohn oder Bürokratieabbau. Erste Anfragen und Anträge im Parlament wurden gestellt. Die Regierung steht noch nicht lange; aber geschafft wurde bisher nicht wirklich viel.“ Wir wollen die Abgeordneten in einem Jahr unbedingt wieder einladen und nach Erfolgen gegen Altersarmut fragen.

Caritas-Geschäftsführerin Karin Bockhorst blickte zum Ende des zweistündigen Gesprächs nach vorne: „Die Verschlankung der Bürokratie ist im Sinne unserer Klienten ganz wichtig. Es ist positiv, dass die Parteien die Kindergrundsicherung und Veränderungen des Rentensystems diskutieren.“ Und: „Wir haben den ausdrückliche Wunsch, dass wir uns in einem Jahr wiedersehen. Dann werden wir wieder fragen, was Sie gegen Altersarmut getan haben.“